schwatzgelb.de das Fanzine rund um Borussia Dortmund
A- A+
schwatzgelb.de das Fanzine rund um Borussia Dortmund
Startseite | FAQ | schwatzgelb.de unterstützen
Login | Registrieren

Neu auf schwatzgelb.de: #Keine Schwäche ? Babak Rafati: "Im Fußball wird Druck generell unterschätzt" (BVB)

Redaktion schwatzgelb.de ⌂ @, Dortmund, Mittwoch, 04.12.2019, 13:22 (vor 1576 Tagen)

Für unsere Reihe #KeineSchwäche über Depressionen und Druck im Profisport anlässlich des zehnten Todestages von Robert Enke haben wir mit Babak Rafati gesprochen. Der Ex-Profischiedsrichter überlebte 2011 einen Suizidversuch und machte anschließend seine Depressionserkrankung öffentlich. Heute arbeitet er unter Anderem als Mentalcoach.


Zum Artikel ...

Tags:
schwatzgelb.de, Artikel

Babak Rafati: "Im Fußball wird Druck generell unterschätzt"

Ravenga, In der Ruhr liegt die Kraft, Mittwoch, 04.12.2019, 20:16 (vor 1576 Tagen) @ Redaktion schwatzgelb.de

Wieder mal ein sehr starkes Interview, das mir aus der kompletten Interviewreihe bislang am besten gefällt. Qualitativ sind eure Artikel in letzter Zeit, also nicht nur die Keine Schwäche-Serie, absolut herausragend und gesellschaftlich wirklich wichtig. Depressionen und mentale Krankheiten sind eine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft und man kann nicht früh und intensiv genug damit beginnen aufzuklären. Ich hoffe nur, dass das irgendwann auch mal gesellschaftlich ankommt, denn bisher wird Depressiven eher mehr als weniger Druck gemacht, z.B. in unserem starren, sehr auf Leistung ausgelegten Bildungssystem.

Babak Rafati: "Im Fußball wird Druck generell unterschätzt"

MDomi, Mittwoch, 04.12.2019, 20:25 (vor 1576 Tagen) @ Ravenga

Den Fußball über den Druck anderer im Alltag und in anderen Jobs hinauszustellen halte ich für lächerlich. Bei vielen anderen kommen Existenzängste hinzu. Die haben kein Polster und auch als Schiedsrichter nicht in Addition hunderttausende verdient.

Ich halte den Druck anderswo für größer. Bei allen restlichen Dingen habe ich nichts einzuwenden.

Babak Rafati: "Im Fußball wird Druck generell unterschätzt"

markus93, Sauerland, Mittwoch, 04.12.2019, 20:41 (vor 1576 Tagen) @ MDomi

Irgendwie verstehe ich solche Argumente nie. Klar haben andere auch Druck, das ist doch keine Frage des Geldes.

Babak Rafati: "Im Fußball wird Druck generell unterschätzt"

MDomi, Mittwoch, 04.12.2019, 20:44 (vor 1576 Tagen) @ markus93

Genau das sage ich grundlegend. Die Existenzangst fehlt dort aber. Die kommt bei anderen noch DAZU.

Babak Rafati: "Im Fußball wird Druck generell unterschätzt"

tim86, Hamburg, Mittwoch, 04.12.2019, 21:18 (vor 1576 Tagen) @ MDomi

Dafür hat der durchschnittliche Bürger den Vorteil der Anonymität.
Und wird nicht von Medien und Fans gejagt.
Es wird nicht jeder Fehler in zich Zeitungen und TV Sendungen diskutiert und man wird auch nicht auf der Straße für Fehler von Fremden angefeindet.

Babak Rafati: "Im Fußball wird Druck generell unterschätzt"

Eisen, DO, Mittwoch, 04.12.2019, 23:04 (vor 1576 Tagen) @ tim86

Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Nicht ohne Grund sind viele Musiker und Schauspieler Drogensüchtig. Ich weiß auch nicht, ob man Ängste vergleichen kann. Spontan hört sich eine Existenzangst schlimmer an als die eines Hollywoodstars, der millionenschwer ist und Angst hat, dass der nächste Film floppt. Ich denke Ängste lösen immer die gleichen körperlichen Symptome hervor.

Babak Rafati: "Im Fußball wird Druck generell unterschätzt"

Balin, Mittwoch, 04.12.2019, 20:35 (vor 1576 Tagen) @ MDomi

Es kommt noch ein Interview zum Thema Druck.

Druck ist zunächst einmal eine körperliche Reaktion. Wenn Per Mertesacker sich vor Spielen übergeben musste, dann ändert der Kontostand da nichts dran. Deswegen sehe ich solche Aussagen immer kritisch.

Ich habe einen Beruf, in dem Fehler in manchen Fällen Menschenleben kosten können. Ich verspüre da kaum Druck. Im letzten Jahr bin ich mit meiner Fußballmannschaft in der Aufstiegsrelegation gelandet. In der untersten Liga. Wir wollten gar nicht aufsteigen. Unsere zweite wäre für uns hochgegangen.
Mir ging es vor den Spielen echt kacke, weil ich Angst hatte, den entscheidenden Fehler zu machen. Es ging um nix. Das konnte ich mir hundertmal sagen, es hat sich nichts geändert.

Deswegen bitte vorsichtig mit solchen Aussagen.

Babak Rafati: "Im Fußball wird Druck generell unterschätzt"

pactum Trotmundense, Syburg, Mittwoch, 04.12.2019, 22:39 (vor 1576 Tagen) @ Balin

Ich habe einen Beruf, in dem Fehler in manchen Fällen Menschenleben kosten können. Ich verspüre da kaum Druck.

Ich beneide dich. Ganz ehrlich. Ich habe dem Druck nicht standhalten können und bin daher in einen weniger belastenden Bereich gewechselt.

Danke für das Interview

donotrobme, Münsterland, Mittwoch, 04.12.2019, 16:10 (vor 1576 Tagen) @ Redaktion schwatzgelb.de

Danke für das interview. Mir war nicht bekannt, dass es unter den Schiedsrichtern einen solchen Konkurrenzkampf gibt. Ich hätte vielmehr gedacht dass die sich zwischen Schiedsrichter, Assistenten und videobeweis Schiedsrichtern als einheit gegen den Rest der Welt betrachten.

Danke für das Interview

Elmar, Donnerstag, 05.12.2019, 14:38 (vor 1575 Tagen) @ donotrobme

Die Spitzen-Schiris verdienen bis zu 10.000€ pro Spiel. Das ist ja durchaus ein Anreiz.

Menschen mit Depressionen werden immer noch im Stich gelassen

Sven, Witten, Mittwoch, 04.12.2019, 13:44 (vor 1576 Tagen) @ Redaktion schwatzgelb.de

Ein großes Dankeschön, dass ihr euch dieses Themas annehmt. Wie das im Sport aussieht, weiß ich zwar nicht. Aber abseits davon bin ich seit der schweren Depression meiner Tochter hellauf entsetzt, wie sehr Menschen mit Depressionen im Stich gelassen werden. Klinken, die sich weigern, Akutfälle aufzunehmen (außer, der Betroffene äußert ganz klar die Absicht, sich umzubringen, dann ist eine Klinik bereit, den Betroffenen für 8 (!) Stunden über Nacht in Sicherheitsverwahrung zu nehmen), gleiches gilt für Neurologen und Psychotherapeuten. Telefonhotlines, die in den Medien immer wieder auftauchen ("Sie haben Selbstmordgedanken? Rufen Sie uns an ..."), wo aber den ganzen Tag niemand drangeht oder nur ein Faxgerät daran angeschlossen ist. Ich hätte das alles vorher niemals für möglich gehalten. Und laut der Psychotherapeutin, bei der meine Tochter mittlerweile ist, sind meine Erfahrungen alles andere als Einzelfälle. Man kann akut Betroffenen, so zynisch das auch ist, fast nur raten, sich etwas anzutun, denn dann kommt nämlich ein Krankenwagen und man wird im Krankenhaus aufgenommen. Fast die einzige Chance und das zeigt, dass da etwas ganz gewaltig schief läuft.

Im Ausland ist das übrigens ähnlich beschämend. Bei der Familie meines Schwagers in Norwegen gibt es jemanden, der drogensüchtig war und endlich selbst dazu bereit war, auf Entzug zu gehen. Doch Plätze gibt es nur für Straftäter. Gut, musste er sich halt eine Pistole besorgen und in eine Bank stürmen und das Personal bitten, die Polizei zu rufen. Zum Glück reichte das. Er musste niemanden verletzen (wenn man mal von der Angst absieht, die die Angestellten sicherlich hatten).

Entschuldigung, wenn das zu sehr Off-Topic sein sollte, aber das Thema muss leider viel viel stärker in den Fokus geraten, damit sich etwas ändert und entsprechend klasse, dass ich ihr euch dem widmet.

Menschen mit Depressionen werden immer noch im Stich gelassen

Sebi, Dülmen / Münster, Mittwoch, 04.12.2019, 20:44 (vor 1576 Tagen) @ Sven

Das Interview habe ich noch nicht gelesen, werde es am Wochenende aber nachhohlen.

Ich arbeite als Hausarzt und bin daher für viele, viele Menschen mit Depressionen der erste Anlaufpunkt.
Natürlich gibt es verschiedene Schweregrade, bei der jeweils eine andere Art der Behandlung notwendig ist.

Ich kann deine Eindrücke leider weitestgehend bestätigen.

Gerade, was die ambulante Versorgung betrifft, sieht es teilweise finster aus. Da brauche ich selbst gar nicht mehr zum Hörer zu greifen. Eine kurzfristige ambulante Anbindung ist im Grunde unmöglich.

Wenn ich selbst in der Psychiatrie anrufe, um einen Patienten unterzubringen, der depressiv, aber nicht akut selbstmordgefährdet ist, klappt es in den meisten Fällen. Aber auch nur, wenn ich selbst anrufe und mit Engelszungen auf den Kollegen einrede und am besten erwähne, dass ich die Eigengefährdung letztlich eben doch nicht ausschließen kann.

Eine gewisse Grundversorgung kann ich selbst leisten und Vieles auffangen, aber ein Facharzt für Psychiatrie bin ich natürlich nicht und kann diesen entsprechend nicht ersetzen.

Ich würde mir als Bestandteil der ärztlichen Versorgung wünschen, dass in Fällen, die ich selbst als kritisch/gefährdet erachte, eine kurzfristige Vorstellung im Bereich einer Klinik möglich ist, wo ein Facharzt die Situation einschätzt und je nach Dringlichkeit die weitere Versorgung vermittelt. Ist aber leider nur Wunschdenken.

Die Realität deckt sich schon recht stark mit dem, was du erlebt hast. Im Zweifelsfall bleibt oft tatsächlich nur Suizidgedanken zu erwähnen, um zumindest stationär Hilfe zu bekommen.

Ein großes Dankeschön, dass ihr euch dieses Themas annehmt. Wie das im Sport aussieht, weiß ich zwar nicht. Aber abseits davon bin ich seit der schweren Depression meiner Tochter hellauf entsetzt, wie sehr Menschen mit Depressionen im Stich gelassen werden. Klinken, die sich weigern, Akutfälle aufzunehmen (außer, der Betroffene äußert ganz klar die Absicht, sich umzubringen, dann ist eine Klinik bereit, den Betroffenen für 8 (!) Stunden über Nacht in Sicherheitsverwahrung zu nehmen), gleiches gilt für Neurologen und Psychotherapeuten. Telefonhotlines, die in den Medien immer wieder auftauchen ("Sie haben Selbstmordgedanken? Rufen Sie uns an ..."), wo aber den ganzen Tag niemand drangeht oder nur ein Faxgerät daran angeschlossen ist. Ich hätte das alles vorher niemals für möglich gehalten. Und laut der Psychotherapeutin, bei der meine Tochter mittlerweile ist, sind meine Erfahrungen alles andere als Einzelfälle. Man kann akut Betroffenen, so zynisch das auch ist, fast nur raten, sich etwas anzutun, denn dann kommt nämlich ein Krankenwagen und man wird im Krankenhaus aufgenommen. Fast die einzige Chance und das zeigt, dass da etwas ganz gewaltig schief läuft.

Im Ausland ist das übrigens ähnlich beschämend. Bei der Familie meines Schwagers in Norwegen gibt es jemanden, der drogensüchtig war und endlich selbst dazu bereit war, auf Entzug zu gehen. Doch Plätze gibt es nur für Straftäter. Gut, musste er sich halt eine Pistole besorgen und in eine Bank stürmen und das Personal bitten, die Polizei zu rufen. Zum Glück reichte das. Er musste niemanden verletzen (wenn man mal von der Angst absieht, die die Angestellten sicherlich hatten).

Entschuldigung, wenn das zu sehr Off-Topic sein sollte, aber das Thema muss leider viel viel stärker in den Fokus geraten, damit sich etwas ändert und entsprechend klasse, dass ich ihr euch dem widmet.

Menschen mit Depressionen werden immer noch im Stich gelassen

Sven, Witten, Mittwoch, 04.12.2019, 22:47 (vor 1576 Tagen) @ Sebi

Das Interview habe ich noch nicht gelesen, werde es am Wochenende aber nachhohlen.

Ich arbeite als Hausarzt und bin daher für viele, viele Menschen mit Depressionen der erste Anlaufpunkt.
Natürlich gibt es verschiedene Schweregrade, bei der jeweils eine andere Art der Behandlung notwendig ist.

Ich kann deine Eindrücke leider weitestgehend bestätigen.

Gerade, was die ambulante Versorgung betrifft, sieht es teilweise finster aus. Da brauche ich selbst gar nicht mehr zum Hörer zu greifen. Eine kurzfristige ambulante Anbindung ist im Grunde unmöglich.

Wenn ich selbst in der Psychiatrie anrufe, um einen Patienten unterzubringen, der depressiv, aber nicht akut selbstmordgefährdet ist, klappt es in den meisten Fällen. Aber auch nur, wenn ich selbst anrufe und mit Engelszungen auf den Kollegen einrede und am besten erwähne, dass ich die Eigengefährdung letztlich eben doch nicht ausschließen kann.

Eine gewisse Grundversorgung kann ich selbst leisten und Vieles auffangen, aber ein Facharzt für Psychiatrie bin ich natürlich nicht und kann diesen entsprechend nicht ersetzen.

Ich würde mir als Bestandteil der ärztlichen Versorgung wünschen, dass in Fällen, die ich selbst als kritisch/gefährdet erachte, eine kurzfristige Vorstellung im Bereich einer Klinik möglich ist, wo ein Facharzt die Situation einschätzt und je nach Dringlichkeit die weitere Versorgung vermittelt. Ist aber leider nur Wunschdenken.

Die Realität deckt sich schon recht stark mit dem, was du erlebt hast. Im Zweifelsfall bleibt oft tatsächlich nur Suizidgedanken zu erwähnen, um zumindest stationär Hilfe zu bekommen.

Ein großes Dankeschön, dass ihr euch dieses Themas annehmt. Wie das im Sport aussieht, weiß ich zwar nicht. Aber abseits davon bin ich seit der schweren Depression meiner Tochter hellauf entsetzt, wie sehr Menschen mit Depressionen im Stich gelassen werden. Klinken, die sich weigern, Akutfälle aufzunehmen (außer, der Betroffene äußert ganz klar die Absicht, sich umzubringen, dann ist eine Klinik bereit, den Betroffenen für 8 (!) Stunden über Nacht in Sicherheitsverwahrung zu nehmen), gleiches gilt für Neurologen und Psychotherapeuten. Telefonhotlines, die in den Medien immer wieder auftauchen ("Sie haben Selbstmordgedanken? Rufen Sie uns an ..."), wo aber den ganzen Tag niemand drangeht oder nur ein Faxgerät daran angeschlossen ist. Ich hätte das alles vorher niemals für möglich gehalten. Und laut der Psychotherapeutin, bei der meine Tochter mittlerweile ist, sind meine Erfahrungen alles andere als Einzelfälle. Man kann akut Betroffenen, so zynisch das auch ist, fast nur raten, sich etwas anzutun, denn dann kommt nämlich ein Krankenwagen und man wird im Krankenhaus aufgenommen. Fast die einzige Chance und das zeigt, dass da etwas ganz gewaltig schief läuft.

Im Ausland ist das übrigens ähnlich beschämend. Bei der Familie meines Schwagers in Norwegen gibt es jemanden, der drogensüchtig war und endlich selbst dazu bereit war, auf Entzug zu gehen. Doch Plätze gibt es nur für Straftäter. Gut, musste er sich halt eine Pistole besorgen und in eine Bank stürmen und das Personal bitten, die Polizei zu rufen. Zum Glück reichte das. Er musste niemanden verletzen (wenn man mal von der Angst absieht, die die Angestellten sicherlich hatten).

Entschuldigung, wenn das zu sehr Off-Topic sein sollte, aber das Thema muss leider viel viel stärker in den Fokus geraten, damit sich etwas ändert und entsprechend klasse, dass ich ihr euch dem widmet.

Hallo Sebi, vielen Dank für das Schildern deiner Erfahrungen als Hausarzt. Hast du möglicherweise noch einen Tipp für Betroffene parat? Mein zynischer Tipp, dass man sich schon selbst etwas antun muss, damit man in der Klinik aufgenommen wird, ist natürlich nicht hilfreich, sondern entspricht der Hilflosigkeit. Wir haben uns letztendlich mit viel Energie und Geduld und Glück selbst da raus gezogen. Aber vielleicht kannst du Betroffenen etwas Hilfreiches mitgeben?

Menschen mit Depressionen werden immer noch im Stich gelassen

Ravenga, In der Ruhr liegt die Kraft, Mittwoch, 04.12.2019, 19:49 (vor 1576 Tagen) @ Sven

Wie recht du doch hast! Ich erinnere mich damals an meine eigene Pubertät, so zwischen 13 und 16 Jahren, als ich unter massivem Mobbing zu leiden hatte, davon eine Zeit lang auch unter physischen Attacken meiner Mitschüler. Ich zog mich immer weiter zurück, wurde depressiv, bekam Essstörungen und verhielt mich in der Schule verschlossen bis apathisch, meine Noten brachen ein. Einzige Reaktion der Lehrer war damals mich auf dem Elternsprechtag niederzumachen und mir zu sagen, da müsse ich nun mal durch, aber wenn ich mich nicht endlich mündlich etwas anstrengen würde, müsse ich das Schuljahr wiederholen... wie zu erwarten hat der zusätzliche Druck dazu geführt, dass ich mich panisch davor geweigert habe zur Schule zu gehen. Es gab außerhalb der Schule exakt ein Hilfsangebot, nämlich ein paar Sozialarbeiter vom Jugendamt, zu denen ich dann auch ging und durch die es etwas besser wurde. Dennoch musste ich mich an meinen eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen, etwas, von dem ich heute keine Ahnung habe, wie ich das geschafft habe. Unterstützung habe ich in dieser Zeit nur von meiner Mutter erhalten, die wiederum von meiner Schule keinerlei Hilfsangebote zur Verfügung gestellt bekam, das musste sie sich alles selbst erarbeiten.

Und auch heute erlebe ich es wieder. Als Praxisanleiter im pädagogischen Bereich habe ich zur Zeit eine 20 jährige Auszubildende, die auch mit mentalen Problemen zu kämpfen hat. Sie hat auf jeden Fall das Zeug zur Pädagogin, aber sie ist noch sehr unsicher und ihr mangelt es auch einfach an Selbstvertrauen. Von ihrer Lehrerin bekam sie dann beim Lehrerbesuch vor den Latz geknallt: "Also mit diesem mentalen Zustand haben Sie in diesem Beruf absolut nichts verloren". In diesem Moment musste ich meine ganze berufliche Professionalität aufbringen um die Frau nicht hochkant rauszuschmeißen, dennoch habe ich einen sehr bösen, detaillierten Brief an die Schulleitung geschickt, weil man in dieser Art und Weise nicht mit Depressiven umgehen kann und die Lehrerin sich auch sehr uneinsichtig zeigte. Die Lehrerin unterrichtet übrigens das Fach, das zu einem Großteil gesellschaftliche Inklusion behandelt...

Dir und deiner Tochter wünsche ich von Herzen alles Gute für die Zukunft, weil ich weiß, wie sich die Scheiße anfühlt, aber auch weil ich weiß, wie bitter das alles für die Eltern ist.

Menschen mit Depressionen werden immer noch im Stich gelassen

Sven, Witten, Mittwoch, 04.12.2019, 22:43 (vor 1576 Tagen) @ Ravenga

Wie recht du doch hast! Ich erinnere mich damals an meine eigene Pubertät, so zwischen 13 und 16 Jahren, als ich unter massivem Mobbing zu leiden hatte, davon eine Zeit lang auch unter physischen Attacken meiner Mitschüler. Ich zog mich immer weiter zurück, wurde depressiv, bekam Essstörungen und verhielt mich in der Schule verschlossen bis apathisch, meine Noten brachen ein. Einzige Reaktion der Lehrer war damals mich auf dem Elternsprechtag niederzumachen und mir zu sagen, da müsse ich nun mal durch, aber wenn ich mich nicht endlich mündlich etwas anstrengen würde, müsse ich das Schuljahr wiederholen... wie zu erwarten hat der zusätzliche Druck dazu geführt, dass ich mich panisch davor geweigert habe zur Schule zu gehen. Es gab außerhalb der Schule exakt ein Hilfsangebot, nämlich ein paar Sozialarbeiter vom Jugendamt, zu denen ich dann auch ging und durch die es etwas besser wurde. Dennoch musste ich mich an meinen eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen, etwas, von dem ich heute keine Ahnung habe, wie ich das geschafft habe. Unterstützung habe ich in dieser Zeit nur von meiner Mutter erhalten, die wiederum von meiner Schule keinerlei Hilfsangebote zur Verfügung gestellt bekam, das musste sie sich alles selbst erarbeiten.

Und auch heute erlebe ich es wieder. Als Praxisanleiter im pädagogischen Bereich habe ich zur Zeit eine 20 jährige Auszubildende, die auch mit mentalen Problemen zu kämpfen hat. Sie hat auf jeden Fall das Zeug zur Pädagogin, aber sie ist noch sehr unsicher und ihr mangelt es auch einfach an Selbstvertrauen. Von ihrer Lehrerin bekam sie dann beim Lehrerbesuch vor den Latz geknallt: "Also mit diesem mentalen Zustand haben Sie in diesem Beruf absolut nichts verloren". In diesem Moment musste ich meine ganze berufliche Professionalität aufbringen um die Frau nicht hochkant rauszuschmeißen, dennoch habe ich einen sehr bösen, detaillierten Brief an die Schulleitung geschickt, weil man in dieser Art und Weise nicht mit Depressiven umgehen kann und die Lehrerin sich auch sehr uneinsichtig zeigte. Die Lehrerin unterrichtet übrigens das Fach, das zu einem Großteil gesellschaftliche Inklusion behandelt...

>
[quote]Dir und deiner Tochter wünsche ich von Herzen alles Gute für die Zukunft, weil ich weiß, wie sich die Scheiße anfühlt, aber auch weil ich weiß, wie bitter das alles für die Eltern ist.
[/quote]

Danke schön! Bei uns geht es mittlerweile wieder, aber ich fürchte, es gibt eine Menge Menschen, die in diesem Augenblick an all dem verzweifeln und entsprechend ist alles gut, was die momentane Situation verbessern könnte und das bedeutet, es überall neu zu thematisieren. Dafür an dieser Stelle auch nochmal danke Balin für deine Antwort.

Menschen mit Depressionen werden immer noch im Stich gelassen

Balin, Mittwoch, 04.12.2019, 13:52 (vor 1576 Tagen) @ Sven
bearbeitet von Balin, Mittwoch, 04.12.2019, 15:02

Hey Sven,

das ist ja auch ein Grund für die Serie. Natürlich wird schwatzgelb.de die von dir beschriebenen Probleme nicht ändern können, aber zumindest können wir vielleicht bei einigen ein Bewusstsein für die Krankheit wecken. Und gerade Angehörigen hilft es häufig ungemein, wenn sie in direktem Kontakt mit Nichtbetroffenen Verständnis erfahren.

1215995 Einträge in 13539 Threads, 13748 registrierte Benutzer Forumszeit: 28.03.2024, 21:59
RSS Einträge  RSS Threads | Kontakt | Impressum | Nutzungsbedingungen | Datenschutzerklärung | Forumsregeln