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Ultras (BVB)

Lawrence, Samstag, 24.09.2016, 21:22 (vor 2769 Tagen)
bearbeitet von Lawrence, Samstag, 24.09.2016, 21:40

Habe, da er hier im Forum empfohlen wurde, heute mal diesen Film angeschaut:

https://www.youtube.com/watch?v=02nfsZANEyc

Folgendes habe ich für mich daraus herausgezogen:

Ultras sind in der Regel sehr jung. Sie finden in ihrer Gruppe halt und Identifikation. Sie stellen das Ultraleben oft über das "normale" Leben. Heißt soviel wie: sie opfern viel für ihr Ultrasein. Obwohl die Szene generell eher friedlich ist, gibt es unter den Ultras sehr wohl gewaltbereite. Desweiteren betrachten sich die Ultras als letzte Bastion des Volkssports Fußball, den sie in eine reine Marketingveranstaltung abrutschen sehen. Und, sie fordern, möglicherweise abgeleitet von ihrem hohen persönlichen Einsatz, mehr Mitspracherecht im Verein.

Hoffe das habe ich so einigermaßen fair zusammengefaßt.

Ein Satz ist mir besonders hängengeblieben aus dem Film: Die Ultras, da sehr junge Menschen, stehen der Erwachsenenwelt eher skeptisch gegenüber.

Und ich finde da steckt eine Menge drin in diesem Satz, was vieles erklären könnte. Generell ist es ja schon immer so gewesen, das sich die jugendlichen Versuchen von den "Scheintoten" Erwachsenen abzugrenzen mit ihren nervigen Regeln und Verboten. Es ist auch so, das Kinder ihre Grenzen testen. Sie wollen einfach wissen, was innerhalb der Gruppe in der sie aufwachsen im Rahmen des akzeptablen ist, und was nicht. Und Kinder können diesbezüglich sehr nervenaufreibend sein.

Der einfachste Weg vom Rebellen zum Spießer zu werden ist Verantwortung übernehmen. Als ich anfing ein jugengliches Fußballteam zu trainieren, ging ich sehr blauäugig an die Sache. Ich wollte der gute Kumpel sein. Gutmütig. Der mit Verständnis. Auf gut Deutsch gesagt: Ich wollte unter keinen Umständen der Spießer sein, der mit Verboten um sich wirft. :-) Das Problem allerdings ist, je nachdem welche Kinder du hast und wie weit ihre Einsichtsfähigkeit schon vorangeschritten ist, das du sehr schnell merkst: die tanzen dir auf der Nase rum. Also wirst du zum Diktator. :-) Du beginnst strenger zu werden, weil ohne Regeln keine Gemeinschaft möglich ist. Plötzlich betrachtet man Regeln nicht mehr als eine miese Erfindung der Erwachsenenwelt die einem den Spaß am Leben nehmen soll, sondern als absolute Notwendigkeit ein ordentliches Miteinander zu gewährleisten.

Langer Rede kurzer Sinn: Schickt eine Horde von fünfzig Kinder mit Farbtöpfen bewaffnet in eine Halle in der Ultras gerade voller Hingabe ihre nächste Choreo basteln und dann seht wie sie plötzlich zu den ekeligen Polizisten werden, die ihnen jeden Spaß verderben wollen. :-)

Für mich bedeutet das folgendes: Wollen die Ultras anerkannt werden als ein Teil der "normalen" Fanszene, dann haben sie alle Voraussetzung zu erfüllen, die dazu beitragen möglichst nicht als Bedrohung wahrgenommen zu werden. Und das jetzt erstmal im Sinne von körperlicher Gewalt. Das heißt im Klartext jegliche Form von Gewalt muß innerhalb der Szene komplett geächtet werden. Sobald einer der Gruppe gegen diese Regeln verstößt muß er scharf darauf hingewiesen werden und zum wohle aller friedliebenden in der Gruppe aus der Gruppe ausgestoßen werden. Und da wird schon mal das erste Problem liegen. Aus falscher Verbundenenheit wird man diese wenigen decken, da sie ja "Freunde" sind. Sind sie aber nicht. Ein Freund würde nichts tun, was eine schlechtes Licht auf seine Freunde werfen könnte oder ihnen schadet. Will sagen: Strikte Ablehnung von Gewalt. Selbstreinigung der Szene. Und das nicht nur innerhalb der eigenen Gruppierung, sondern auch gegenüber "feindlichen" Gruppierungen. Will sagen: Dortmunder und Schalker Ultras sollten gemeinsam Mittagessen können ohne sich gegenseitig die Gabeln in die Köpfe zu stechen. Das hat auch einen ganz einfachen Grund: Es geht ja um die Erhaltung des Fußballs als Kulturgut des Volkes. Und im besten Falle ist das friedliebendes Kulturgut. Und hier haben die Ultragruppierungen untereinander die Verantwortung zu tragen, das keiner aus ihrer Gruppe aus der Reihe tanzt. Als Bestrafung falls doch, und als Genugtuung der angegriffenen Gruppe gegenüber, muß ein sofortiger Ausschluß des Ultramitglieds aus der eigenen Gruppe erfolgen.

Klingt hart? Möglich. Aber wer sich als höhere moralische Instanz betrachtet, hat extrem hohen moralischen Grundsätzen zu genügen. Ihr seid gegen die Kommerzialisierung im Fußball? Tragt ihr Markenklamotten? Ja? Dann seid ihr Teil des Kommerzes. Ihr deckt Leute aus der Gruppe die sich daneben benehmen, setzt an die Profis aber moralische Standards nach eurem gutdünken? Geht als gutes Beispiel voran. Beschämt die Erwachsenenwelt. Zeigt das ihr besser seid als das was sie von euch denken.

Und das liegt vollkommen in eurer Hand. Wenn ihr auch nur trennen könnt zwischen gelb und blau, wie die Erwachsenen zwischen Ultra und Nicht-Ultra, dann zeigt das ihr alle zusammen für genau das gleiche steht: Für einen friedliebenden, sportlichen Wettkampf. Das beinhaltet dann das man sich zwar versucht mit seinen Choreos und Gesängen zu übertrumpfen, allerdings niemals in einer feindlichen Stimmung. Das man dem Gegner Respekt entgegenbringt und ihm ermöglicht unbeschollten ins eigene Stadion zu gelangen und auch gesund wieder Heimzukehren . Das man notfalls sogar gegen die eigenen gewaltbereiten Leute vorgeht um den vermeintlichen Feind zu schützen.

Auf gut deutsch: Seit die moralische Instanz die ihr gerne sein möchtet und ihr werdet sehen wie man euch mit größtem Respekt begegnet.

Das war das Wort zum Sonntag. Peace und aus.

PS.: http://community.zeit.de/user/manuel-lorenz/beitrag/2010/09/12/die-jugend-von-heute-rebellion-gegen-die-rebellion


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